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Libyen: Über die Wellen des „Meeres ohne Wasser“

„Hurrtiger, hurrtiger“, jauchzt Fahrer Masut, als wir mit dem Jeep über die Dünen flitzen. Dazu begleitet uns arabische Popmusik aus der Dose, Masuz lässt seine Hände in der Luft tanzen und lacht und singt. Bis zum Schluss unserer Tour können wir nicht herausfinden, was exakt er mit dem Wort, das für uns eben wie „hurtiger“ klingt, meint, aber wir machen mit, lachen und singen mit. Es macht ja wirklich Spaß – und das obwohl ich dieses Dünenreiten ursprünglich gerne ausgelassen hätte.

Anmerkung: Die Reise erfolgte im Jahr 2008 mit Geo Reisen, erschienen in “tip“. Derzeit gilt eine offizielle Reisewarnung für Libyen. Seit 2014 herrscht Bürgerkrieg und Terror (u. a. von Seiten des IS). Millionen Menschen sind in Not. Ein aktueller Bericht zur derzeitigen Lage: http://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-krieg-die-naechste-eskalation-ist-nur-eine-frage-der-zeit-a-1249978.html  Informationen auch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerkrieg_in_Libyen_seit_2014

Für Hals- und Beinbruch muss ich nicht unbedingt in die libysche Sahara reisen, dachte ich mir. Und schließlich stellt auch „unser Revolutionsführer“ – von Libyens Staatspräsidenten Muammar al-Gaddafi und seinen Errungenschaften hören wir noch öfter während der Tour von GEO Reisen – in seinem Werk „Das Grüne Buch“ fest, dass Frauen im Allgemeinen „leicht erschrecken und zum Weinen neigen“. Aber auch ein Revolutionsführer kann irren, und ich genieße es – steil bergab und bergauf etwas gemächlicher, schließlich ist Masut nicht nur um seine Fahrgäste, sondern auch oder vor allem um sein Auto besorgt. Sanft über die Wellen und auf der Ebene dann mit bis zu 120 Stundenkilometern jagen er und seine Kollegen über die harte Piste von Staubwolken eingehüllt…

Dabei geht es auch anders und beschaulicher. Von Tripolis fliegen wir etwa eineinhalb Stunden nach Sebha, von wo wir in mehrere Jeeps aufgeteilt mit unserem Guide aufbrechen: Ca. 500 km gerade aus in südwestlicher Richtung und dann links – so kann man sich das in etwa vorstellen. Sand, Kies, steinige Flächen und Hügel, wohin das Auge reicht, sobald wir das bewässerte Umland von Sebha verlassen haben. Irgendwann sind auch die Akazien nicht mehr zu sehen, die zuvor z. B. auch unsere „Raststätte“ säumten, wo uns die begleitenden Köche das Mittagsmahl zauberten. Bohnen und Kichererbsen, Tomaten und Gurken, abwechselnd mit Sardinen oder Thunfisch – das wird unsere Leibspeise…

Start in Tripolis

Erste Kilometer

Schattierungen des Akakus Gebirges

Und dann tauchen im Hintergrund langsam die Züge des Akakus Gebirges auf. Da es langsam dämmert, leuchten die Berge in verschiedensten Tönen, rosa, orange, beige, etwas dunkler die Berge, die uns am nächsten sind… Schattierungen wie Seidenpapier, das man übereinander legt.

Erfreulich ist der Komfort in der Akakus Magic Lodge, der uns erwartet. Die Zelte aus bunten Stoffbahnen sind nicht nur mit Holzboden und Betten sondern auch mit einem eigenen kleinen Badezimmer ausgestattet. Zum Abendessen werden wir ebenfalls bestens verköstigt, schon das scharfe Harissa hat es vielen angetan. Danach geht es noch in unsere „Lounge“, ein mit Polstern und Teppichen ausgestattetes Zelt, in dem uns die Tuaregs Tee anbieten. Und nicht nur Tee, so haben wir nämlich auch gleich die Möglichkeit, Silberschmuck und andere Handwerksarbeiten zu erwerben – „Echt Tuareg!“ – was wir bei einem herzlichen Plausch mit den Männern auch tun.

Dass wir die kommenden Tage ganz ohne Alkohol auskommen sollen – in Libyen herrscht allgemein strengstes Alkoholverbot – macht uns anfangs ein wenig Sorgen, aber wir lernen alkoholfreies Bier schätzen und stellen fest, dass es im Grunde auch ohne lustig sein kann… Sowohl der fehlende Alkohol, die nächtliche Kälte wie auch die anstrengende Fahrt führen dazu, dass man allgemein früh zu Bett geht. Aber nicht bevor der funkelnde und glitzernde Sternenhimmel, die Milchstraße so nah, ausgiebig bewundert und die Stille (abgesehen vom störenden Stromgenerator) genossen wurde.

 

Botschaft aus prähistorischer Zeit

Wir können es kaum erwarten, endlich die Wüste und das Akakusgebirge zu ergründen. Bizarre Felsformationen, von der Erosion über Jahre, Jahrmillionen, gebildet, reihen sich auf und beflügeln unsere Phantasie. Ein Fels sieht aus wie ein Bär, ein anderer wie ein Löwe, auch Küssende machen wir aus. Dazwischen immer wieder ausgetrocknete Flusstäler, Wadis, die auch noch Reste von Vegetation zulassen, mächtige Felsen, verwinkelte Höhlen, riesige Dünen, die unglaubliche Weite und die herrliche Stille, die einem fast die Sprache verschlägt. Dass die Landschaft einst blühend war und kultiviert wurde, davon zeugen die prähistorischen Felsgravuren und Malereien, die filigran Szenen von der Jagd und aus dem Alltag abbilden. Es heißt, die Kunstwerke seien zwischen 5.000 und 7000 Jahre alt. Die Sahara war damals vergleichbar mit den heutigen Wildreservaten in Ostafrika. Manche Farben sind noch so kräftig, dass wir gar vermuten, manche Abbildungen seien Scherzbolden aus jüngerer Vergangenheit zuzuschreiben. Dass – obwohl der Tourismus nur wenig ausgeprägt ist – in der Zwischenzeit schon einige Menschen vor uns hier waren, merkt man leider auch an den kleineren und gröberen Müllbergen hinter den verschiedenen Felsen.

Felsgravuren und Malereien

Am Abend nutzen wir noch die wenigen Minuten des Tageslichts und erklimmen unter höchster Anstrengung die Dünen, um die Aussicht und den Sonnenuntergang zu genießen. „Bahr bela ma“, das „Meer ohne Wasser“, so nennen die Tuaregs die Sahara, die größte Wüste der Erde. Am Abend sitzen wir rund um das Feuer, trinken wieder Tee, rauchen Shisha und lauschen den Erzählungen unseres Guides, der uns über den Alltag und das Leben in Libyen, über die Errungenschaften und Wohltaten von Muammar al-Gaddafi informiert.

Am nächsten Tag fahren wir zurück Richtung Germa, wo vor etwa 2.000 Jahren die Hauptstadt des Garamanten-Reiches, eines der mächtigsten Berberreiche in Nordafrika, stand. Außerhalb des Zentrums der heutigen Stadt staunen wir über die Ruinen der aus Stein und Lehm erbauten Häuser und Grabstätten. Die Mauern aus Lehm zeigen schon viele Löcher und Lücken, wie es scheint, könnte die Stadt beim nächsten Regen, sollte es einen geben, dem Untergang geweiht sein.

Der Himmel im Wasser

Und dann nochmals das Wüstenerlebnis in der Ubari Region. Wir übernachten in der Ubari Magic Lodge mitten im „Wüstenmeer“. Für manche Herren der Gruppe folgt nun „das“ Highlight der Reise. „Das wird jetzt richtig geil“, freuen sich meine Reisekollegen beim Start des Dünenabenteuers. Etwas mulmig ist mir dabei zumute. Aber dann: die unglaubliche Höhe der Dünen, das Wechselspiel der Farben, ein Erlebnis, das die Hochschaubahn fast vergessen lässt oder besser noch euphorisiert. Inmitten des Sandmeers stoßen wir – von einzelnen Palmenkronen mitten im Sand angekündigt – auf den ersten der Mandara Seen Um el Ma, Gabroon und Maflu. Von Dattelpalmen und Schilf umsäumt, den Himmel und die Wolken spiegelnd, liegen sie da, zauberhaft und anziehend…

Dass dann aber niemand ein Bad darin nimmt, was durchaus möglich wäre, wie uns versichert wurde, liegt nicht nur an der etwas kühleren Temperatur, sondern vielleicht auch an den kleinen Würmern, die sich in den Seen befinden und den einstigen Bewohnern rund um die Seen sogar als Nahrung gedient haben sollen. Im Gegenzug riskieren es aber ein paar Wagemutige, sich mit Schiern über die Dünen zu schwingen. Ein gar nicht so leichtes Unterfangen, vielleicht sind die „Brettln“ aber auch zu wenig gewachselt.

Und dann heißt es noch einmal „hurtig“ über die Dünen, das Abenteuer Wüste ist vorbei, die Geschichten, die Menschen, die Farben bleiben unvergesslich. Vergessen ist dafür die Schreckhaftigkeit, und auch der Revolutionsführer hat nicht immer Recht, aber das reibe ich unserem Guide nicht unter die Nase.

Abschluss in Leptis Magna

Die Antike Stadt Leptis Magna, etwa 120km östlich von Tripolis am Meer gelegen. Sie ist UNESCO-Weltkulturerbe und die größte erhaltene antike Stadt der Welt.