Europa

Georgien & Armenien: Berge, Kirchen und einige Genussmittel

Wir steigen aus dem Bus und marschieren in das Gebäude der Grenzstation. „Wir haben uns lange nicht gesehen“, sagt die Dame am Schalter. Das wundert mich ein wenig, schließlich bin ich zum ersten Mal hier. „Guten Morgen“, sagt auch ihr Kollege freundlich. Die Deutsch-Kenntnisse aufgefrischt entlassen uns die georgischen Grenzbeamten auf die andere Seite – nach Armenien, das zweite Land unserer Kaukasus- Reise voller Naturgewalten und religiösen Denkmälern.

(erschienen in reisetipps, 2014)

Der armenische Grenzbeamte lässt den österreichischen Pass bei einem Kollegen prüfen. Offenbar kommen nicht allzu oft Touristen aus Österreich in die Gegend. Dabei erfreuen sich die zwei Länder – besonders als Kombination – steigender Beleibtheit. Aus der Ferne betrachtet haben sie viel gemeinsam – die abwechslungsreichen Gebirgslandschaften etwa, die vielen und beeindruckenden Kirchen und Klöster sowie eine gemeinsame Vergangenheit im Verband der Sowjetunion. Beide für sich betrachtet sind sie völlig unterschiedlich, wie wir nach dem Passieren der Grenze feststellen: die Sprachen, die Schriften, die Kulturen, die Kirchen, das Essen, das Verhältnis zu ihren Nachbarn, die Geschichte, die Menschen – alles ist anders.

Unsere Reise beginnt erst Mal in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, das eine wechselhafte Geschichte wie das Land selbst – seit 1991 unabhängig von der Sowjetunion -, widerspiegelt. Der vor Kurzem als Staatspräsident abgelöste und zuletzt sehr umstrittene Micheil Saakaschwili startete einige Reformprozesse und die Bekämpfung der Korruption. „Die vielen modernen Glasbauten sollen Transparenz zeigen“, erklärt uns Reiseleiterin Kety. Viel investiert wurde in die Restaurierung der Altstadt, wo kleine Hotels mit Holzbalkonen und jede Menge Restaurants und Cafés Gäste anlocken. Die alten Schwefelbäder, die Sioni-Kathedrale und eine alte Karawanserei rücken hier die lange Geschichte in den Vordergrund. Theater, Museen, Oper, eine Seilbahn, die zwei Stadtteile miteinander verbindet, und die Flaniermeile Rustaweli-Boulevard sind Bestandteile des modernen Tiflis. Abends erstrahlt die Stadt, wenn die alte Festung Nariqala und viele weitere Bauwerke beleuchtet werden.

Es wird geheiratet

Nicht weit von Tiflis besuchen wir die ehemalige Hauptstadt Mtscheta. Es ist Sonntag und offenbar ein guter Tag – trotz fehlenden Sonnenscheins – für Hochzeiten. Bestimmt 30 verschiedene Hochzeitspaare begegnen uns sowohl in der Dschwari Kirche auf dem Berg wie auch rund um die Sweti-Zchoweli Basilika und lassen sich samt ihrer Hochzeitsgesellschaft fotografisch in Szene setzen. Für uns ein guter Überblick darüber, was in Sachen Brautmode derzeit aktuell ist.

Die christliche Religion und der Segen in der (georgisch-orthodoxen) Kirche spielt für die Georgier wieder eine wichtige Rolle. Den Kreuzkuppelkirchen und Kathedralen wie Alawerdi, der Hauptkirche des Landes, und Sweti-Zchoweli fehlen zwar Bänke, was bei zum Teil bis zu vierstündigen Messen und Zeremonien viel abverlangt, dafür glänzen sie umso mehr mit kunstvollen Fresken und Ikonen. Der Duft von Bienenwachskerzen, das sanfte Licht, das durch die Fensterluken gelangt, und die Gebete der Priester und Ikonen küssender Besucher versetzen uns immer wieder in eine fast feierliche Stimmung.

Kilometer-lange Weinkeller

Während die Region um Tiflis eher karg wirkt, ist Kachetien, der östliche Teil Georgiens, üppig und fruchtbar. Eine wild-romantische Landschaft mit Sonnenblumen- und Getreidefeldern, Rinderherden, Pferden und Fuhrwerken, Obstständen und Kühen am Straßenrand und natürlich den Weinbergen erwartet uns hier.

Georgien gilt als Ursprungsland des Weinanbaus: Schon vor 7.000 Jahren sollen hier Rebstöcke kultiviert worden sein. In Kvareli erhalten wir eine Führung durch einen (Bruch-)Teil der Kilometer-langen Tunnel, die heute als Weinkeller verwendet werden, und verkosten Weiß- (Tsolikouri) genauso wie Rotwein (Saperavi) – beides typisch georgische Rebsorten, die bestens zur ebenso hervorragenden Küche des Landes passen. Vereinzelt wird auch die einst typische Weinlagerung, in bis zu 100 Liter fassenden Amphoren, die in die Erde eingelassen werden, angewandt.

Weingenuss ist grenzüberschreitend. In Armenien hat die Gewinnung von Wein eine ebenso lange Tradition. Aufgrund des warmen Klimas und der Höhenlage sind die Beeren sehr süß und perfekt nicht nur für guten Wein, sondern auch für die Weinbrand-Produktion nach französischer Tradition. In der Ararat-Brennerei von Erewan verkosten wir das goldfarbene Getränk. Winston Churchill war einst ein großer Fan des edlen Tropfens. In der Destillerie ist es Tradition, anlässlich von Staatsbesuchen, den jeweiligen Politikern ein ganzes Fass zu widmen. So wundert es uns nicht, dass wir auch eines, bestimmt für Bundespräsident Heinz Fischer, entdecken. Die Brennerei hat zudem ein sogenanntes Friedensfass gestiftet. Es soll geöffnet werden, sobald Armenien und Aserbaidschan ihren Konflikt um Bergkarabach lösen. Einige meinen, das könnte ein sehr alter Cognac werden.

Komplizierte Verbindungen

Die Beziehungen zu Aserbaidschan und zu dessen „Bruder“ Türkei sind aufgrund der politischen Vergangenheit derzeit „unmöglich“, wie uns Reiseleiterin Liana sehr eindrücklich erklärt. Zu Georgien sind sie – zu unserem Reiseglück – „ok“, zum Iran am besten. Viel erfahren wir über die Geschichte des Landes, Konflikte, Genozide, Auswanderer und einflussreiche, weltweite Diaspora. Bildung gehört in Armenien zum höchsten Gut – „Wer eine gute Ausbildung hat, kann es überall schaffen“, so lautet die Devise, die sich auch viele Auslands-Armenier, die heute jede Menge Geld in ihre alte Heimat investieren, zu Herzen genommen haben.

Armeniens Hauptstadt Jerewan ist Ausgangspunkt für unsere weiteren Erkundungsfahrten. Modern und marod, beides findet man hier. Sehenswert sind die Blaue Moschee, die Nationaloper, der Platz der Republik, die Kaskaden und Denkmäler, bunte Märkte, eine moderne Einkaufstraße und schicke Restaurants. Sogar die Plattenbauten – mehrheitlich aus rosa Tuffstein – sind bemerkenswert.

Lob in höchsten Tönen

Nach unserem Übertritt von Georgien nach Armenien gewöhnen wir uns – nur theoretisch – an eine neue Sprache und Schrift. Und an eine neue Reiseführerin, die keine Gelegenheit auslässt, ihr Land in den höchsten Tönen zu loben und zu beschreiben – und sie hat nicht unrecht. Die Berge und Hochebenen, Täler und Schluchten sind überwältigend in ihren Farben und Nuancen. Schaf- und Kuhherden grasen entlang der Straße, Obst- und Weinverkäufer bieten ihre Waren auf kleinen Ständen an. Mehrmals führt unser Weg vorbei am himmelblauen Sewansee, der auf 1.900m Höhe liegt und von einem sehr fruchtbaren Land umgeben ist. 90% von Armenien befinden sich übrigens auf mehr als 1.000m über dem Meeresspiegel. „Und wäre das Land gebügelt, wäre es größer als Russland“, wie wir hören.

Ein wunderschöner Anblick ist nicht nur das Kloster Sewanawank am Ufer des Sees, sondern auch der Panoramablick von dort aus, inklusive Regenbogen, den uns das wechselhafte Wetter beschert. Schon bei der Besichtigung des ersten Klosters Haghpat, hoch oben auf einem Bergplateau, fällt auf: Statt Ikonen und Wandmalereien wie in Georgien finden wir Kreuzsteine vor, von denen wir noch zahlreiche, kunstvolle und eindrucksvolle sehen sollten, etwa auch in den Klöstern Sevan, Khor Virap, Noravank oder schließlich – im religiösen Zentrum des Landes – Etschmiadzin. Geschätzte 4.000 Stück an diesen gemeißelten Kunstwerken soll es in dem Land geben. Auch hier ist das (orientalisch-orthodoxe) Christentum tief in der Gesellschaft verwurzelt, wobei die Armenisch Apostolische Kirche quasi Staatskirche ist.

Der Hauch der Engel

Ein besonderes Highlight ist das Kloster Khor Virap an der türkischen Grenze, nicht nur aufgrund seiner einzigartigen Bauweise, sondern weil wir von dort auch einen freien Blick auf den Ararat haben. Sollten. Je mehr wir uns von Jerewan wegbewegen, umso stärker wird der Nebel. Der Blick auf das Nationalsymbol Armeniens, obwohl heute auf türkischem Staatsgebiet, und angeblich der Ort, an dem Noahs Arche strandete, bleibt uns verwehrt. Eines der beliebtesten Postkartenmotive entzieht uns seine Gunst. Einstweilen. Denn wir haben Glück. Zwei Tage später – nach unserer Cognac- Verkostung und vielleicht auch mit Hilfe von „Angels’ share“ (das ist der Anteil des Cognacs, der im Laufe der Lagerung aus dem Fass verdunstet) – erahnen wir in der Ferne die Silhouette des berühmten Berges. Und endlich bei Sonnenuntergang zeigt er sich in voller Pracht. Ein Geschenk zum Abschluss, wie unser Guide stolz erklärt.

 

Allgemeine Info

Georgien

Lage: zwischen dem Großen und Kleinen Kaukasus sowie dem Schwarzen Meer; Grenzen zu Russland, Armenien, Aserbaidschan und der Türkei.
Höchste Erhebungen: Kasbek und Schara mit jeweils über 5.000m
Einwohner: 4,7 Millionen Hauptstadt Tiflis im Osten des Landes (ca. 1,16 Mio. Ew.)
Religionen: Christentum (65% georgisch-orthodox und 10% russisch-orthodox), weiters Islam (11%) und jüdische Minderheit

Armenien

Lage: im Kleinen Kaukasus; Grenzen zu Georgien, der Türkei, dem Iran und Aserbaidschan
Höchste Erhebung: Aragats (4.100m), größter See: Sevan- See
Einwohner: 3,3 Millionen
Hauptstadt: Eriwan (Jerewan) mit ca. 1,2 Mio. Einwohnern
Religionen: Die armenische Kirche ist die älteste christliche Kirche der Welt, der überwiegende Teil der Bevölkerung ist armenisch-orthodox gläubig, daneben gibt es Anhänger der russisch-orthodoxen Kirche und des Islams.

Klima & beste Reisezeit

Das Klima ist so abwechslungsreich wie die Landschaften. Georgien hat ein eher mediterranes Klima an der Küste und ein kontinentales Klima im Landesinneren. Armenien wird von einem trockenen Kontinentalklima mit einem heißen Sommer und kalten Wintern beherrscht. Die beste Reisezeit ist Mai/Juni und September/Oktober.

Sprache

Georgien: Amtssprache Georgisch, daneben Russisch, Armenisch, Ossetanisch, Abcharisch, Assyrisch
Armenien: Amtssprache Armenisch, daneben Russisch, Kurdisch

Gesundheit

Keine Impfungen vorgeschrieben; es besteht kein Sozialversicherungsabkommen mit Österreich, der Abschluss einer Reiseversicherung ist anzuraten.

Einreise & Sicherheit

Georgien: Reisepass, gültig bis zumindest 3 Monate nach Ausreise
Armenien: Reisepass, gültig bis zumindest 6 Monate nach Ausreise Wertgegenstände sollten nicht offen getragen und nur geringe Geldbeträge mitgeführt werden. Nach Einbruch der Dunkelheit sollten abgeschiedene Plätze gemieden werden.

Anreise

Jerewan: z. B. mit Austrian Airlines ab Wien
Tiflis: z. B. mit Lufthansa via München

Highlights

Georgien

Tiflis: Nariqala-Festung, die Glasbrücke über den Fluss Mtkwari, das alte Hamam-Viertel Abanotubani, die Synagoge, die älteste Kirche Antischati, das Puppentheater samt Glockenturm, zahlreiche Restaurants und Lokale in der Chardin-Gasse und der Leselidse-Straße

Mtscheta: antike Hauptstadt Georgiens (bzw. „Iberiens“) am Zusammenfluss von Kura und Aragwi; sehenswert ist die Sweti- Zchoweli Basilika aus dem 11. Jhd. Auf einem Berg in der Nähe der Stadt thront die Dschwari-Kirche aus dem 6. Jhd.

Kvareli: Weingut Khareba, Führung und Verkostung der bekanntesten georgischen Weine in Kachetien

Signagi: Die Stadt in Kachetien ist umgeben von einer Mauer mit ca. 23 Türmen, wobei sich die Besiedlung außerhalb der Mauer abspielte

Gremi: Residenzstadt am Fuße des Kaukasus; Wehrkirche und Palast; Grab der Heiligen Ketevan (Katharina) sowie Reste eines Weinkellers, Freskenmalerei aus dem 16. Jhd: Rekonstruktionen von Bädern, Karawanserei

Alawerdi: Das Mönchskloster (im 4. Jhd. begründet) ist heute das religiöse Zentrum Kachetiens; die im 11. Jhd. erbaute Kirche ist Hauptkirche des Klosters und drittgrößte Kirche des Landes

Armenien

Jerewan (Eriwan): Kreuzkuppelkirche Katogike aus Tuff aus dem 13. Jhd.; Reste der Urartu-Festung Erebuni aus dem 8 Jhd.; Platz der Republik, Nationaloper; Tsitsernakaberd: dunkelgraue Basaltquader erinnern an den Völkermord an Armeniern in den Jahren 1915-1916

Cognac-Fabrik Ararat: www.araratbrandy.com

Haghpat: Kloster aus dem 10. Jhd. auf einem Plateau mit einer großen Vorhalle (Gavith), mehreren Kapellen, Glockenturm, Bibliothek und einigen Kreuzsteinen (Chatch’Khar)

Sewan-See: die „blaue Perle Armeniens“, in der Provinz Gegharkunik auf einer Höhe von fast 2.000m; größter Süßwassersee des Kaukasus.

Sevan-Kloster: aus dem 9. Jhd. mit Muttergottes-Kirche und Apostelkirche sowie Priesterseminar am nordwestlichen Ufer auf einer Anhöhe

Kloster Khor Virap: Gregor der Erleuchtete wurde der Legende zufolge wegen seines christlichen Glaubens über 10 Jahre lang in einem Kerker festgehalten. Später wurde er Missionar und erster Katholikos Armeniens. Bei entsprechendem Wetter erhält man einen Blick auf den 5.165m hohen Ararat in der Türkei.

Kloster Noravank: in der Schlucht des Amaghu mit rötlichen Felsen gelegen, aus dem 13. Jhd. mit imposanten Reliefs

Selim-Pass: Reste einer Karawanserei aus dem 14. Jhd.

Noratus-Friedhof: am westlichen Ufer des Sewan-Sees; mit Hunderten Kreuzsteinen aus verschiedenen Jahrhunderten, die ältesten aus dem 9. Jhd., mit kunstvoll gemeißelten pflanzlichen und geometrischen Motiven

Zvarthnots: Ruinen einer Palastkirche aus dem 7. Jhd., 930 von einem Erdbeben zerstört und Anfang des 20. Jhd. wiederentdeckt

Etschmiadzin: von 2. bis 4. Jhd. Hauptstadt Armeniens, religiöses Zentrum des Landes und Residenz des armenischen Patriarchen; Kathedrale (erstmals im 4. Jhd. eingeweiht) und Hriphsime Kirche

Geghard: eines der ältesten Höhlen- und Wehrklöster aus dem 4. Jhd.

Garni: einziger im Kaukasus erhaltener antiker Tempel, vermutlich aus dem 3.Jhd. v. Chr.

Essen & Trinken

Restaurant-Tipps in Georgien

Bread House: Georgische Spezialitäten und ein Duft frisch gebackenen Brotes; Gorgasali Str. 7, Tiflis, www.mgroup.ge

Phaeton: Traditionelle Küche sowie Musik und Tanz; Belashivili Str., Tiflis, www.phaeton.info-tbilisi.com

Restaurant im Hotel Citadel Narikala: schick mit Blick auf die Stadt und ausgezeichneter Küche; Orpiri Str. 20, Tiflis, www. hotel-citadel.ge

Saperavi / Winery Khareba: Blick auf das Weinbaugebiet; Kvareli, www.hotel-citadel.gehttp://www.hotel-citadel.ge

Restaurant-Tipps in Armenien

Flora: in ehemaligem Industriegebiet von Alaverdi; angeblich Armeniens bestes Schaschlik (Chorovats)

Areni Wine Factory: Weinprobe in Areni, areniwines@gmail. com

Kindertagesstätte Church of Armenian Unity: einfache Küche, nette Atmosphäre in Galerie-Restaurant; Etschmiadzin, www.cau.am

Pandoky: urige Taverne, gutes Essen; St. Amiryan Str. 5, Erevan, www.pandokyerevan.am

The Club: modern und stylisch, extravagante Präsentation der Speisen, Live-Musik; Tumanian 40, Erevan, www.theclub.am;

Restoran: Traditionelle Küche, Live-Musik; Sayad Nova Str.

Veranstalter

z. B. mit GTA-SKY-WAYS, www.gta-sky-ways.at

 

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